The Big Red One - Kritik | Film 1980 | Moviebreak.de (2024)

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Kritik

Seit gut zwei Jahren sind Samuel Fuller und seine Filme Stammgast bei jeglichen Monatsspecials von Moviebreak. Seien es sein Meisterwerk Polizei greift ein oder seine sehenswerten bis herausragenden Filme Der nackte Kuss oder Vierzig Gewehre; irgendwie lässt sich irgendwo ein Film des US-amerikanischen Haudegens finden. Natürlich durfte Fuller auch im Kriegsmonat nicht fehlen; schließlich besteht seine Filmographie gefühlt zur Hälfte aus Kriegsfilmen jeglicher Coleur. The Big Red One mag dabei am ehesten herausstechen, schließlich verarbeitet Fuller in diesem Film (endlich möchte man beinahe sagen) direkt seine Erlebnisse als Soldat im Zweiten Weltkrieg. Blockbuster-Kriegsfilme handeln von Schlachten, B-Kriegsfilme von Soldaten schrieb der legendäre US-Kritiker Roger Ebert. Samuel Fuller bringt hier beides unter einen Hut.

Denn auch wenn die Kriegsszenerien nicht bombastische Ausmaße annehmen, ist die Spannung zum Schneiden, sind die Geschehnisse an Tragik kaum zu überbieten und tropft der lebensmüde Zynismus nur so aus jeder grimmigen Dialogzeile. Den Anfang macht dabei die Entstehung der Ersten Infanterie, die eine große rote Eins auf ihrem Ärmel trugen. The Big Red One. Ein Soldat tötet einen deutschen Gegner mitten im Nichts, obwohl dieser beteuert, dass der Krieg vorbei sei. „Der Krieg ist vorbei. Nicht schießen.“ Kurzerhand wird er abgestochen. In diesem Schlachtfeld aus wilden Pferden, manischen Menschen und dicken Nebelschwaden steht ein überlebensgroßes Kruzifix. In den Augen Jesu sammeln sich die Fliegen. Gott hat die Menschheit nicht verlassen, er ist in den Schützengräben am Senfgas verreckt. Dem überlebenden Soldaten wird mitgeteilt, dass der Krieg seit bereits vier Stunden vorbei sei. Aber es sei ja schon gut, er habe es halt nicht gewusst. An dem Lapidaren dieser Aussage wird sich bis zum Ende des Films nichts ändern.

Samuel Fuller inszeniert seinen Film klug und gleichzeitig einfach lesbar. Einerseits nutzt er die eben beschriebene als eine sinnvolle Klammer zu Beginn und zum Schluss des Films. Andererseits spiegelt er sogar die Moral der Soldaten auf beiden Seiten, sobald die Geschichte in den Zweiten Weltkrieg zieht. Lee Marvin (Heißes Eisen), der den Sergeant schön qualmend darstellt - ist sich sicher, dass Gegner nicht ermordet, sondern getötet werden. Ebenso denkt auch Schroeder, gespielt von Siegfried Rauch (Patton), der brutale Vollblutnazi auf der gegnerischen Seite. Der einzige Unterschied: Für Schroeder sind auch Abweichler in den eigenen Reihen Gegner, die getötet werden müssen. Nicht ermordet. Das scheint schon alles zu sein, was die Soldaten dazu bringt, ihre moralischen Bedenken abzulegen. Zumindest gibt es zunächst keine weiteren Fragen. So lange, bis auf dem Schlachtfeld die Kollegen reihenweise umgemäht werden. Bis sich die Leichen stapeln, Köpfe vom Druck der Panzerketten platzen und ein anonymer Soldat nach dem nächsten ins Fegefeuer kommandiert wird. Gott wird auf dich warten.

Der Film folgt der ersten Infanterie bei fünf Einsätzen. Von Tunesien über Italien, nach Frankreich, England und in die ehemalige Tschechoslowakei zur Befreiung des KZ Falkenau. Fuller war damals persönlich an der Befreiung beteiligt und hat den gesamten Prozess gefilmt. Zu Zeiten des Drehs von The Big Red One (35 Jahre nach dem Krieg) war er immer noch nicht bereit, das Material zu bearbeiten. Erst weitere drei Jahre später wurden seine Aufnahmen veröffentlicht. Hier zeigt er eine abgewandelte, emotional aufgeladene Version. Den Soldaten wird der letzte Funken an Kraft gezogen, das letzte Bisschen an menschlicher Moral ist schon lange verreckt. Unzählige Kugeln werden in die deutschen Soldaten gepumpt, die sich in den Krematorien verstecken. Irgendwie bringt es irgendwo Genugtuung, dieses Kriegsverbrechen. Fuller ist sich dieser Zwickmühle bewusst und zeigt dennoch Verständnis für die extreme Vergeltungstat. Es ist ein verzweifeltes Seufzen der Hilflosigkeit. Ein Junge wird aus dem KZ gerettet. Sein Leben außerhalb der Zäune und Drähte könnte beginnen. Ein Leben in Freiheit wird der Junge aber bis zu seinem Tode nicht haben.

Fazit

Mit „The Big Red One“ verarbeitet Samuel Fuller seine eigenen Erfahrungen als Soldat im Zweiten Weltkrieg. Er versammelt Bilder flammender Hitze und größten Schreckens, wenn der Sergeant nach und nach seine Soldaten in den sicheren Tod schicken lässt. Natürlich serviert Fuller dem Zuschauer hier keine Helden. Stattdessen zeigt er auf, dass die Soldaten nur Instrumente zur Rache sind - oder eben menschliche Zielscheiben. Dabei gelangen Fuller Bilder, die man so schnell nicht vergisst und vor Relevanz nur so strotzen - auch beinahe vierzig Jahre später. Einzig der versöhnliche Schluss mag nicht so recht zu dem Film passen. Fuller selbst mochte die knapp zweistündigen Version seines Films nicht. Näher mag ihm wohl die beinahe dreistündige Version kommen, die jedoch nicht mehr zu seinen Lebzeiten veröffentlicht wurde.

Kritik: Levin Günther

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